Team Horrowitz

Alles wird gut!


Mehr Hinrichtungen – Ein Plädoyer

Mehr Hinrichtungen – Ein Plädoyer

Titel Hinrichtung

Hinrichtung: Im finstersten, fiesesten Fantasymittelalter ersonnener Zeitvertreib für das gemeine Volk / die ganze Familie

Eine der ältesten, überlieferten Strafmaßnahmen der kriminalistischen Neuzeit ist die gute alte Hinrichtung, die meist tödlich für den Delinquenten endet -sollte man meinen! Hinrichtungen sind Machtdemonstrationen von Potentaten, lustiger Freizeitspaß für Groß und Klein sowie beliebter Zeitvertreib, besonders für Samstag nachmittags. Auf nahezu jedem Con gibt es Richtblock, Henker und Angeklagten. Doch leider leider und zu unserem großen Frust: Hingerichtet wird allerdings eigentlich NIE jemand, obwohl alles immer so nett anfängt…

Irgendjemand wird von irgendwem wegen irgendeines Vergehen oder der Übertretung irgendwelcher Gesetze festgenommen und arrestiert. Das Überzeugen der Obrigkeit von der Notwendigkeit einer Verhandlung zur Aburteilung des Schurken ist ein leichtes, gilt doch eh‘ der Grundsatz, das jemand so lange schuldig ist, bis er seine Unschuld bewiesen hat.

Alsdann wird ein Herold beauftragt und ausgesandt, um dem ganzen Lager zu verkünden das eine Hinrichtung (evtl. mit vorrangehender ProForma Verhandlung) zur Mittagsstunde stattfinden wird.

Ein wütender aber gutgelaunter Mob organisiert sich daraufhin eiligst selbst, ganz gleich ob er irgendwas mit dem Geschehen zu schaffen hat, und taucht pünktlich auf. Die Schaulustigen sind bewaffnet mit Klappstühlen, Weinflaschen und allem was man sonst noch so braucht, erwarten ein zünftiges Schauspiel und sind voller guter Dinge.

Um 12:00h mittags (HighNoon) betreten schließlich die Akteure unter lautem Gejohle der Menge die Bühne:

~

Henk, der Henker
(Henker heißen eigentlich immer und überall Henk, ein Phänomen das wir anderweitig untersuchen werden…)

Ein Richter
(…sofern nicht der Henker dessen Rolle übernimmt.)

Ein Ankläger
(…sofern nicht der Henker… – na, ihr wisst schon…)

Der Delinquent oder Angeklagte
(… die arme Sau um dessen Schuld oder Unschuld es hier geht…)

Zwei Gardisten
(…gleich welcher Garde, die den Angeklagten festhalten und ihr möglichstes tun, grimmig zu gucken.)

Eine Frau
(…die sich aufopferungsvoll um den Angeklagten kümmert und bisweilen durch hysterisches Geheul die Verhandlung stört.)

Diverse Zeugen
(…Be- und Entlastungszeugen, was man halt so braucht…)

~

Der Richter (bzw. der Henker) eröffnet die Verhandlung. Noch bevor die Anklage verlesen wurde, fordert der Mob zunächst einmal den Tod des Angeklagten, wird aber streng vom Richter (oder vom Henker, je nachdem…) zur Ruhe ermahnt. Daraufhin liest nun endlich der Ankläger (bzw. der Henker) die Anklage vor. Ob so viel Niederträchtigkeit seitens des Beklagten geht nun ein kollektives und stimmungsvolles Raunen durch die Menge. Ein Tumult entsteht jedoch nicht, da nun bereits erwähntes Weibsbild schluchzend und kreischend zugleich proklamiert, wie man ein derartig abscheuliches Verbrechen nur ihrem Liebsten/werten Freund/Bruder/Mann/zufälligen Bekannten zur Last legen könnte…

(Einer der beiden Stadtgardisten hat von diesem Zeitpunkt seine liebe Mühe, besagte Frau immer wieder vom Bein des Henkers wegzuzerren, an welchem sie sich flehend festkrallt)

Weiter im Text: Der Richter ( oder der Henker…) ruft die ersten Zeugen auf. Einzelne Zwischenrufer die immer noch den Tod des Angeklagten fordern werden von den Stadtgardisten mittels Knüppel oder Bolzen ruhiggestellt, und am Rande der Verhandlung verarztet.

Zurück zu den Belastungszeugen: Jene erzählen meist in allen Einzelheiten (je nachdem wie gut sie von wem bezahlt wurden…) wie der Angeklagte gediebt, geplündert, gefrevelt und/oder gebrandschatzt hat; schmücken die Geschichte nach dem Willen des Volkes aus, und belasten den Angeklagten damit schwer. Interessant ist die Wechselwirkung zwischen Belastungszeugen und Publikum, eigentlich die Erfindung des gerne verwendeten TED, bei welchem das Publikum aktiv in die Entscheidungsfindung eingebunden wird: Je abscheulicher und brutaler die Darstellung desto mehr Beifall erhalten die Belastungszeugen vom Mob…

Nachdem mindestens zwei, maximal aber 5 Belastungszeugen gehört wurden, wird die obligatorische Frage nach Entlastungszeugen gestellt, die aber im heulenden Jammern besagter Frau untergeht. Jene hat es mittlerweile geschafft sich in der Kapuze des Henkers zu verbeißen, und sabbert dabei die ganze Zeit wie ein Tier. Abhängig davon wie laut sie jammert findet sich wohlmöglich doch einer dem es das Herz erweicht und der dann als Fürsprecher für den Delinquenten auftritt und versucht, dessen Arsch mit Beteuerungen und Schwüren seiner Unschuld zu retten. Man darf bemerken das jeder der sich als Fürsprecher zu erkennen gibt ebenfalls Leib und Leben riskiert, vermiest er doch wohlmöglich dem Mob ein schönes Schauspiel. Dies ist mit einer der Gründe warum Ent- viel seltener als Belastungszeugen sind.

Hat man selber nichts konstruktives zu sagen, so kann man etwa alle fünf Minuten mit einem empörten „Hört, Hört!“ auf sich aufmerksam machen und vielleicht sogar etwas Beifall – oder wenigstens zustimmendes Gemurmel – einheimsen. Man sollte jedoch darauf achten, das man durch diese Aussprüche nicht zu sehr in den Mittelpunkt der Verhandlung gerät, um am Ende nicht selbst (per TED) als Delinquent vorgeschlagen zu werden. ( „Das ist die Sau, die hat dauernd dazwischengebrabbelt!!! Kreuzigt ihn…!!!“ )

Nachdem alle Zeugen gehört wurden schreitet nun das Gericht (oder der Henker…) zur Entscheidungsfindung. Das debil spuckende und geifernde Volk erwartet einen Schuldspruch, der Henker ist sich der Schuld des Angeklagten ebenfalls sicher. Mitunter ist der Angeklagte nach der Verhandlung sogar selbst von seiner Schuld überzeugt… – beste Vorraussetzungen also für das was alle wollen:

„Schuldig im Sinne der Anklage! Der Delinquent wird sein Leben auf dem Richtblock aushauchen!“

Bis dahin ist alles gut. Nun beginnt er also, der letzte Gang des Verurteilten. Heroisch lehnt er die Augenbinde ab und bettet sein Haupt auf den schweren Eichenblock (zur Not auch auf einem IKEA Möbel…) und erwartet den finalen Schlag. Doch… Oh Grauss! Er kommt nicht!

Wir wissen nicht genau warum in so vielen Fällen diese finalen, alles entscheidenden Hiebe im besten Augenblick ausbleiben. Dahingehend stellen wir verschiedene Überlegungen an, die wir nachfolgend angeben wollen:

Die erste Möglichkeit ist, das der Henker selbst das Urteil in letzter Sekunde revidiert, weil er befürchtet des Nachts von Freunden oder Verwandten des Angeklagten dahingemeuchelt zu werden. So versucht er nun also den Mob (der Blut will) davon zu überzeugen, das der Tod zu milde sei und der Angeklagte statt dessen lieber ein Leben als Vogelfreier in der Verbannung leben soll…

Die zweite Möglichkeit ist das das Volk erkennt, das es ja der Obrigkeit und deren Gesetzen in die Hände spielen würde und das jeder einzelne wohlmöglich selber einst auf dem Richtblock mit der Kopf-Ab Methode enden könnte. Da das keiner will wird protestiert und opponiert, und so das Köpfen des Delinquenten in letzter Sekunde verhindert. Auch hier wird die Strafe in etwas lächerlich unbedeutendes abgewandelt.

Die dritte Möglichkeit ist, das das Volk folgendes erkennt: Ein schneller Tod des Delinquenten würde auch das unmittelbare Ende des schönen geselligen Beisammenseins an diesem sonnigen Samstag Mittag bedeuten. Außerdem müsste man die ganzen Nahrungsmittel und diverse, volle Weinflaschen wieder zurück ins Zelt schleppen, worauf in der Mittagshitze keiner Lust hat. Also wird alles getan, die Strafe abzumildern, was lange Diskussionen über das rechte Strafmaß auslöst, womit der Tag dann bis zum Abendessen gerettet wäre.

Welche Möglichkeit auch immer in Betracht kommt (auch Kombinationen aus zwei oder mehreren sind denkbar..) – wir finden das bemerkenswert.

Fakt ist, das aus einer geplanten Hinrichtung niemals mehr als eine lächerlich milde Bestrafung wird. Statt dessen entwickelt sich die ganze Story meist von „Tod durch Kopf-Ab“ in Richtung „Verstümmelung“ Sehr beliebt sind hierbei Hand abhacken, blenden, Beine brechen oder das Opfer für wissenschaftliche Studien zu missbrauchen. Wenn dann aber erkannt wird das man damit ja bloß einen weiteren Krüppel im Dorf hat, wird statt dessen entschieden ihn „endlose Jahre in den Kerker“ zu werfen. Von verschiedenen Seiten wird hiergegen dann Protest laut, da dies ja Steuergelder kosten würde und niemand bereit ist dafür aufzukommen. Also überlegt man wie man es billig regelt und entscheidet sich für „Lebenslange Verbannung“, revidiert dies aber nach 5 Minuten heißer Diskussion, da die Idee aufkommt das der Angeklagte in einer Fernen Stadt zu Ruhm und Reichtum gelangen könnte, was man ihm missgönnt. Statt dessen überlegt man dann in Richtung einer horrenden Geldstrafe, schwächt dies dann ab in „4 Wochen harte Feldarbeit verrichten“ und kommt gegen Ende zu dem Schluss das die einzige wirkliche Bestrafung „eine Nacht mit der Frau des Henkers“ sein kann. Damit ist jener dann nicht einverstanden, kann sich aber nicht mehr durchsetzen weil im Verlauf der Diskussion das Volk begonnen hat seinen Status nicht mehr anzuerkennen und ihn statt dessen als ihresgleichen oder als nörgelnden Störenfried betrachtet. Zu diesem Zeitpunkt wird dem Henker, wie auch den Gardisten klar, das er besser die Füße still hält, die Entscheidung des Volkes abwartet und diese dann als seine eigene verkündet, was ihn davor bewahrt seine Axt auch mal von der scharfen Seite kennen zulernen. Am Ende ist es dann sehr einfach:

Wenn der Angeklagte sich nicht im allgemeinen Tumult längst verpisst hat, sondern tapfer bis zum Ende des ganzen auf seinem Platz blieb wird ihm schließlich der Kompromiss aus gültigen Gesetzen, allgemeinen Befürchtungen und völligem Chaos verkündet der da heißt:

Freitod oder Freibier.

In aller Regel entscheiden sich die meisten Angeklagten daraufhin für das spendieren von Freibier und so geht der Mob mitsamt Richter, Henker, Gardisten und allen anderen einen saufen. Das ganze Dorf feiert daraufhin den Henker, bescheinigt ihm einen weisen Schiedsspruch, eine gute Show und gibt zu Protokoll das es sich schon auf das nächste Mal freut wenn er in der Stadt ist.

Übrig bleiben nur die immer noch hysterische Frau, die nicht geschnallt hat das der ganze Kram mittlerweile ein glückliches Ende gefunden hat und der (bis dato völlig vergessene) Kläger, der daraufhin das Vertrauen in das Rechtsystem verliert, beschließt Dieb zu werden, jemanden beklaut und dabei sein Leben verliert weil der andere schneller am Degen war…

~

Kann das wahr sein!? Ist das das Recht im LARP!? Tatsächlich ist es so wie beschrieben, mit kleinen Nuancen in Ausführung und Ablauf – aber doch im großen und ganzen zutreffend. Wir haben schon vielen „Hinrichtungen“ beigewohnt… doch hingerichtet wurde dabei noch keiner. Nicht mal verstümmelt!!! Nicht mal ein kleines Bisschen!!! Wir finden das seltsam bis dämlich… und vor allem inkonsequent!!! Genauso wie ein Krieger in der Schlacht oder ein Magier im Ritual den Tod oder schwere Verletzungen erleiden kann, sollte die Gerichtsbarkeit unnachgiebig hart mit Dieben, Meuchlern und dem anderen Gesocks verfahren! Der Tod auf dem Richtblock ist Berufsrisiko und uns fehlt jedes Verständnis dafür wenn ein gestellter und ergriffener Dieb immer noch mit BEIDEN Händen und Kopf sein Unwesen treiben kann!

Für mehr Härte im Rechtsystem:

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