Team Horrowitz

Alles wird gut!


Das geheimnisvolle Zelt

Das geheimnisvolle Zelt

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Normale Zelte, wie sie jeder kennt, kann man im Fachhandel, in Survivalgeschäften oder bei OBI komplett mit allem Zubehör kaufen. Es gibt sie in verschiedenen Formen und Größen, Farben, Qualitäten und Preislagen. Eines jener Zelte kommt fast immer in Einzelteile zerlegt in einem großen Sack, in dem sich in aller Regel eine Aufbauanleitung, eine ganze Menge Heringe, diverse Gestänge, eine Zeltplane aus Tuch oder Plastik (in jedem Fall wasserdicht) und einige wenige Schnüre (meist aus Kunstfaser) befinden. Solche Zelte lassen sich sehr einfach auf- und abbauen, klein zusammen legen, auf sehr wenig Platz verstauen, und überaus bequem transportieren. Letzlich stellen diese Zelte eine Meisterleistung an Komfort, Design und Benutzerfreundlichkeit dar, die in jahrelangen Versuchen auf Unverwüstlichkeit und Allwettertauglichkeit hin optimiert werden konnten, und jeder LARPer mit einem bisschen Hirn wird sich sicher so ein Zelt kaufen.

Unser Zelt ist völlig anders. Davon handelt der folgende Bericht…

Am Anfang steht der Einkauf

Wenn Du ein Zelt bauen willst brauchst Du Material. Also gingen wir einkaufen, und kamen mit dem folgenden Krempel zurück:

Zelt Krempel

  • 6x 1,5m Rohleinen (atmungsaktiv… will sagen: Nicht wasserdicht, aber dafür mit einem besonderen „natürlichen“ Eigengeruch)
  • Ein uraltes, holzwurmzerfressenes Wagenrad (Ø 43,2cm; 12 Speichen; Metallumrandung… jedes andere funktioniert auch )
  • Ein altes Paddel (dreiteilig, Ruderblatt entfernt, nicht feuerfest…)
  • Ca. 0,2qm Leder (Elefantenhaut oder Nubuk nach Möglichkeit dunkelbraun…)
  • 12 Spaxschrauben (5×30)
  • 6x 1,5m Rohleinen (atmungsaktiv… will sagen: Nicht wasserdicht, aber dafür mit einem besonderen „natürlichen“ Eigengeruch)
  • 4 Sicherungssplinte mit Überwurfring (wenn ihr danach im Baumarkt fragt wird euch NIEMAND sagen können, was das ist )
  • Ca. 15m Hanfkordel
  • Flüssigimprägnierung (für’n Arsch)
  • ein paar Heringe vom Iglu Zelt

Bastelkraft voraus

Aus diesem abgerissenen Krempel den liebevoll ausgesuchten Materialien entstand ein nettes Vorzelt mit 3 x 3 m Größe, einfach aufzubauen, einfach abzubauen, einfach umzureißen, und faszinierend einfach und extra-leicht in Brand zu setzen. Es bot wenig Schutz vor Sonne, noch weniger Schutz vor Regen und keinerlei Schutz vor Wind, Sturmfluten und den blöden Blicken der Nachbarn. Trotzdem waren wir vom ersten Augenblick an von seinem unverwechselbaren Flair gefangen.

Mit dem Wagenrad als Rauchabzug konnten wir in der Mitte (neben dem Hauptpfeiler) eine Feuerstelle einrichten, an der wir uns wärmen und auf der wir allerlei kulinarische Köstlichkeiten zubereiten konnten. Wegen der fehlenden Seitenteil bot es sehr, sehr viel Platz, den immer, wenn wir es auf einem Con aufbauten, alsbald Freunde, und solche die es werden wollte (Schnorrer halt) einnahmen, um mit uns zu futtern, zu schnakken, zu saufen, zu rauchen, rumzuhuren, und dergleichen Dinge mehr zu tun. Schön war die Zeit, in der wie die Leichtigkeit des Seins genossen. Aber auch um ernsthafte Dinge kümmerten wir uns unter unserem Dach. Kriegsräte, Versammlungen und allerlei Politik sowie geheime Beratungen fanden hier statt.

Unser persönliches Highlight war es stets, wenn die Leute die Klasse unseres Zeltes bemerkten, und sie kommentierten. Meist hörten wir das unser Zelt sehr „interessant“ sei, und nur sehr selten fing jemand an zu lachen, wenn wir stolz erzählten, das wir es selber gebaut hätten. Wenn es bei leichtem Regen von der Decke tropfte gab es nur sporadisch Leute die freiwillig gingen, und die meisten Gäste liefen nicht einmal dann weg, wenn es anfing in Strömen zu regnen. Selbst wenn bisweilen die Mittelstange anfing zu brennen wurde dies meist nur interessiert beobachtet. Zumindest bei Regen war das auch nie ein Problem, da das Feuer eigentlich immer vom Regen gelöscht wurde. Wenn man so drüber nachdenkt ist es echt erstaunlich wie trocken einen die Illusion eines Daches halten kann, wenn man nur fest genug daran glaubt.

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Das Zelt auf Lethos (mit Windrad)

Und es geht weiter…

Irgendwann fanden wir, es wäre an er Zeit das Vorzelt zu einem Zelt zu „verbessern“ und kamen auf die krankhafte Idee, Seitenteile anzufertigen. Was sich sehr einfach anhört, ist in Wirklichkeit ein langer Leidensweg gewesen. Zuerst musste mehr Zeltplane her. Also kauften wir noch mal 12m x1,5m frisches, aromatisches Rohleinen. Des weiteren etwa 300 vernickelte, brünierte und goldene Ösen sowie 2 Besenstiele (in kotzgelb). In Thilos Garage fand sich noch eine Stange von etwa 1,50m Länge, die als vordere Stützstange verwendet wurde. 20m Sisal-Seil komplettierten unseren Einkaufszettel. Aber wr brauchten noch etwas. Denn die Iglu Heringe waren jenseits von allem, und wir brauchen Ersatz…

Von Rollmops und Matjes…

Die Auswahl an Heringen, sollte man erst mal ein Fachgeschäft gefunden haben, ist schier unerschöpflich. Da gibt es runde Heringe, flache Heringe, abgewinkelte Heringe. Da gibt es gerade oder spiralförmig, in diversen Durchmessern, aus Plastik, aus Alu, aus Stahl, aus „Es-sieht-aus-wie-Stahl-aber-es-kostet-nur-ein-Viertel-von Stahl“ und so weiter. Spezialitäten wie der spiralförmige, korkenzieherartige Superhering für 25,-EUR / Stück, mit dem man vermutlich Bohrinseln am Meeresgrund befestigen kann, runden das Angebot nach oben ab.

Sollte man sich inmitten der endlosen Auswahl am Ende auf eine Form einigen können, steht das nächste Problem im Weg. Wie lang? Von 20 cm bis zu 1,50 m kann man so ziemlich alles kaufen. Wer hier nach dem Motto „viel hilft viel“ vorgeht kriegt eine Problem, denn die Wahl der Länge will genau überlegt sein. Sind die Teile zu kurz halten sie nicht, und fliegen raus. Sind sie zu lang bekommt man stets drei von vier in den Boden, nur den vierten nicht, da sich an der Stelle wo er in den Boden soll natürlich eine Granitplatte befindet. (Aus dieser Erkenntnis hat sich bei uns die Überzeugung entwickelt das es in irgend einem Pantheon einen Gott des Zeltens gibt, dessen Leidenschaft es ist armen LARPern das Leben schwer zu machen. Zeltos der Unbarmherzige hat wirklich Sinn für Humor.)

Am Ende gekauft haben wir schlussendlich dann 15 Erdnägel (die billigen aus Alu, haben sich als Schrott entpuppt…) sowie, weil wir auf Nummer sicher gehen wollten, nochmal 10 verzinkte BW-Heringe (ca. 35cm lang, ebenfalls Schrott). Das das Ganze ein Heidengeld gekostet hat, steht außer Frage…

Fertig.

Nach einigen Stunden Arbeit hatten wir dann endlich vier Seitenteile geschaffen. Alles Einzelstücke, will sagen: Nix genormt, total schief und in keinster Weise zueinander kompatibel. Die Premiere war dann auf Lethos, Ostern 1999. Es übertraf unsere eigenen Erwartungen. In jeder Hinsicht. („Kann das sein das das hier zu kurz ist?“ „Äh…“)

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Das Zelt auf Tortuga 3

Mittlerweile sind wir hoch zufrieden mit unserer Schöpfung. Gut… es ist immer noch nicht wasserdicht, und auch nicht sonderlich stabil (es ist sogar ganz schön instabil, weil wir niemals die zusätzliche Windangriffsfläche oder das zusätzliche Gewicht der Seitenteile, wenn sie sich mit Wasser vollgesogebn haben, bedacht hatten). Bei starkem Wind hält meist nur unser starker Glaube und das ein oder andere Stoßgebet das Zelt am Boden. Und das es im Zelt tropft, wenn es draußen regnet ist völlig normal, allgemein akzeptiert und immernochein netter Gag für Leute, die das erste mal da sind. Auch an Komfort haben wir zugelegt. Mit unserer neuesten Errungenschaft, dem kleinen Faß-grill „Landmann 1a“ aus dem Hause Leonardus Molotov können wir nun auch die Temperaturen in kalten Nächten knapp über dem Gefrierpunkt halten. Und das sogar ohne jede Gefahr für die Mittelstange (und die Besucher unseres Etablissements). Seit wir auch heizen wurden unsere Orgien Teeparties immer exzessiver züchtiger, so das sich am Ende einige Verwegene sogar getraut haben im Zelt zu übernachten…

Die heiligen Regeln

Vom Anbeginn der Zeit, will sagen dem ersten Aufbau, gelten einige Regeln in diesen vier Wänden. Und dies sind die folgenden…

  • Jede(r) ist willkommen.
  • Wirklich: Jede(r).
  • Wenn sie oder er was zu trinken dabei hat, ist sie oder er noch viel herzlicher willkommen.
  • Frauen sind sowieso am allerherzlichsten willkommen. Bevorzugt wenn sie keinen Freund haben, leicht bekleidet sind, und dazu noch ein bisschen nymphoman veranlagt.
  • Alles was in unserem Zelt an Nahrung, Alkoholika, Antialkoholika und Rauschmitteln gleich welcher Art existiert, ist für alle da. Selbstbedienung ohne falsche Scham ist obligatorisch, denn wir feiern gern, und niemandem soll irgend etwas fehlen.
  • Jede(r) ist gehalten, sich nach besten Wissen und Gewissen einzubringen. Langweiler stören das Bild, gehen aber meist von selbst wieder. Oder schlafen ein, was angesichts dessen, was meist um sie vorgeht sehr, sehr verwunderlich ist…
  • Pazifismus rules: Waffen werden generell sorgsam in einer Ecke deponiert dorthin gepfeffert wo Platz ist und wo sie nicht stören.
  • Gekotzt wird nur außerhalb des Zeltes. (Erstaunlicherweise hat bisher noch NIE jemand nach dem Genuss unserer äh… „Gefühlserlebniswelt“ gereihert. Wieso wissen wir nicht. Vielleicht Geiz?)
  • Wer zum Abschied ein „Gehabt euch wohl“ als Abschiedswort loslässt, wird auf der Stelle mit einem Armbrustbolzen bedacht, stirbt eines qualvollen Todes, und darf (kann) nie wieder vorbei kommen.
  • All jenen, die Futter, Getränke oder Rauchkram mitbringen, gilt unser besonderer Dank. Auch jenen, die ihre Fingerfertigkeit in den Genuss von Rauschmitteln stellen (wir werden Christiana immer lieben) oder gar welche herbeischaffen haben bei uns einen Stein im Brett. Wobei wir betonen möchten das Mitbringen ein rein freiwilliger Akt ist…

Superlative…

  • Die Zeltkonstruktion ist einmalig, und trotz ihrer Bauweise bislang noch nicht zusammengebrochen. (!)
  • Wie viele Leute passen auf 3 x 3 Meter? Zwanzig haben wir schonmal gleichzeitig unterbekommen… mehr geht wahrscheinlich nicht (sonst kann man nicht mehr von „im Zelt“ sprechen).
  • Das Zelt bzw. seine Einzelteile wurde niemals gereinigt. Würde man es auswaschen, die Rückstande extrahieren und trocknen, und dann in Tablettenform pressen, würde man wahrscheinlich gegen das Betäubungsmittel-Gesetz verstoßen. Man könnte das Zeug dann aber zu horrenden Preisen in Frankfurt an der Konstabler Wache verkaufen…
  • Wir haben immer gern getrunken. Unser Zelt ist nicht das Hofbräuhaus, aber an einem Abend ging da schon was durch. Zwei Kästen Bier, eine Flasche  Oppenheimer Krötenbrunnen (Finger weg!), zwölf Liter Rotwein, Bärenfang, Spuren von Strohrum, Puschkin, Feenblut und diversen anderen harten Sachen…
  • Es wurde viel geraucht. Zigaretten in ungezählten Mengen, Pfeife und auch andere Dinge wie die gute deutsche Hecke von kurz nach’m Kriech…) haben unser Zelt wirklich zugenebelt, und geben ihm sein einzigartiges Aroma…

~

Zitate zum Zelt…

Mensch, das Päckchen Kippen hab ich doch gerade erst aufgemacht…
(Typischer Ausspruch mit wirrem Kopf irgendwann in der Nacht. Oder am Nachmittag…)

Ist es schon wieder hell, oder immer noch?
(Dem Glücklichen schlägt keine Stunde…)

Is‘ das hier nebelig…
(Atmosphärenanalyse)

…Ja Ja… s‘ is‘ scho‘ recht Chekov… mir wisse’s scho’…
(Bestätigung bekannter Gegebenheiten)

…der Hämmer!
(Sandra hat’s bei uns gefallen – ein echt treuer Fan)

Komm rein, nimm Dir’n Keks… – aber wenn du rausgehst leg ihn wieder hin…
(Typische Begrüßungsfloskel)

Hi, komm rein, setzt, dich, magste‘ was essen, was trinken? Drogen? Sex?
(andere typische Begrüßungsfloskel)

Was denn für ’ne NSC Besprechung!? Ham‘ wir was verpasst?
(Bei uns vergessen die meisten die Zeit. Wir auch…)

~

Immer wieder geschieht es…

Plötzlich und ohne Anzeichen. Das Unvorstellbare! Wie aus dem nichts materialisiert das Zelt in einem Heerlager, am Rande eines Waldes, im Zentrum eines Dorfes. An Orten, wo Gut und Böse aufeinandertreffen, wo Leute sich aus aller Herren Länder einfinden, um Geschichte zu schreiben. Dort erscheint es, lädt ein zum verweilen, und verspricht allerlei Kurzweil und Zerstreuung.

Vergessen und erleben, leiden und lieben, verdammen und vergöttern -oder einfach FEIERN!

Seid willkommen!

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